Geschichte

Glockengeläut

St. Martin, Schwende

«Schwende ist kein eigentliches Dorf. Es besteht nur aus der Kirche
mit dem Friedhof und dem Pfarrhaus, dem Schulhaus und dem Mehrzweckgebäude mit dem Kindergarten und der Turnhalle.
Einige Häuser und drei Gasthöfe sind auch noch in der Nähe.» So frisch-fröhlich stellt sich die Schule Schwende im Internet vor. Vermutlich hängt die erst späte Erhebung von Schwende zu einer selbständigen Pfarrei damit zusammen, dass die Gegend lange Zeit wenig Einwohner hatte; von der geschichtlichen Bedeutung her hätte das früher geschehen können.

Denn wenn Schwende als Region wahrgenommen wird, gehen die ältesten Ortsnamen auf den Grenzbeschrieb der Pfarrei Appenzell von 1071 zurück: «Megelinsalpa» oder «Poterinsalpa». Erstmals erwähnt werden die Höfe von «Swendi» um das Jahr 1200 im ältesten Abgabenverzeichnis der Abtei St. Gallen. Der Name, der sich vom Tätigkeitswort «swandjan» (schwinden machen) herleitet, ist typisch für die zweite Kolonialisation durch Roden der Wälder. Das bedeutet, dass die besseren Lagen im Schwendetal, sowohl im Talboden als auch sonnig gelegene, bereits damals besiedelt waren.

Was die geschichtliche Bedeutung betrifft: Der Vorrang der Rhode Schwende im Innerrhoder Staatswesen wird damit begründet, dass die Schwender Bauern den Anfang gemacht hätten mit dem Aufstand gegen den Abt und mit dem Burgenbruch und so am Anfang der Freiheitsbewegung standen. Und zu Zeiten der Reformation geschah folgendes (zitiert aus der Schrift «Ösen Bezirk», herausgegeben 1991 zum Bundesjubiläum): Der protestantische Landammann Hans Bodmer habe sich für den katholischen Glauben interessiert. «Seiner Konversion halfen Schwender Bauern nach, indem sie seine Wohnung umstellten und ihn dazu zwangen».

Vorerst Kuratie

Auch in Schwende ist die Entwicklung von einem «Bild» ausgegangen, dem eine Kapelle folgte, wie in Gonten, Brülisau, Eggerstanden und Schlatt. 1623, allenfalls einige Jahrzehnte früher, errichtete Hauptmann Hans Dörig auf seinem Gut, wo dann später die heutige Pfarrkirche gebaut wurde, eine Andachtskapelle. Sie ersetzte die Kapelle im hinteren Bild und lag zentraler. Der Kaplan von Brülisau war beauftragt, hier einmal wöchentlich die Messe zu lesen. Am Sonntag aber mussten die Gläubigen weiterhin den gut einstündigen Weg zur Mutterkirche Appenzell unter die Füsse nehmen.

Schon 1750 hatten sich die Schwender um einen eigenen Seelsorger bemüht. 1766 war der Platz für den Bau einer Kuratiekapelle bestimmt worden; ein Jahr später wurde die Kapelle gebaut; sie hatte drei Altäre. Von der Kapelle beim Hinteren Bild übernahm sie das Patrozinium Allerheiligen. Die Kuratiekaplanei für die Einwohner von Schwende und Triberen wurde 1768 kanonisch errichtet. Kurat ist ein Geistlicher aus einem Aussenbezirk mit eigenem Seelsorgebezirk, im Rang eines Kaplans. Von nun an lebte ständig ein Seelsorger in Schwende.

1843-45 wurde das Kirchlein restauriert. «Da an Allerheiligen, also am Patrozinium, die Gräber zu besuchen waren und Schwende noch keinen Friedhof hatte, die toten Schwender also in Appenzell lagen, wünschten sich die Schwender als Patron den hl. Martin, um auch ein eigenes Kirchenfest zu haben», heisst es in der Schrift weiter. Der St. Galler Bischof bewilligte die Änderung 1877.

Martin ist einer der populärsten Heiligen, Patron sowohl der Soldaten, Ritter, Reisenden, Gefangenen als auch Helfer des Viehs. Um seinen Gedenktag, 11. November, ranken sich Volksbräuche; auch gibt es Bauernregeln, die die kommende Wetterentwicklung vorhersagen sollen.

Seit 1767 wurde in Schwende Schule gehalten; ursprünglich hatte der Mesmer zu unterrichten. Später, bis kurz nach 1900, war dann der jeweilige Lehrer auch Organist und Mesmer. 1890 wurde das Schulhaus gebaut; «damit begann die Dorfentwicklung», heisst es in der Schrift.

Eigene Pfarrei

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts erhielt die Filialgemeinde das Beerdigungsrecht. 1877 bemühte sich der damalige Kurat Jakob Ignaz Koller um die Erhebung der Filiale zur Pfarrei, drang aber nicht durch. Als das Kirchlein zu klein wurde, wurde 1904 ein Baufonds angelegt.

Durch Beschluss des Grossen Rates und Zustimmung des Bischofs von St. Gallen wurde dann die Pfarrei Schwende per 1. Januar 1915 errichtet; dafür verdient gemacht hatte sich Kurat Josef Anton Bürke. Der Pfarrei wurde auch das Gebiet von Fehrlen im Bezirk Rüte zugeteilt. 1915 wurde der Friedhof angelegt.

Lange, bevor Schwende eine selbständige Pfarrei wurde und eine Kirche erhielt, hat es bereits einen Kirchenchor gegeben. In der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Cäcilien-Vereins im Jahre 2000 gibt es klare Hinweise dafür. So wurde die «Christen-Heerde von Brüllisau» auf ihrer Prozession vermutlich im Jahre 1860 «mit Sängern und Kreuz und Fahnen» empfangen. Aus dem Jahr 1888 ist ein Bericht im «Appenzell Volksfreund» vorhanden, dass das Neujahrsfest «zu einem kleinen Teil auch noch auf dem Säntis gefeiert» worden sei. Die Kirchensängerinnen von Schwende übermittelten den Säntisbewohnern gesangliche Neujahrsgrüsse durch eine neue technische Errungenschaft, das Telefon. Die Sängerinnen erhielten als Dank für die gelungene Überraschung einen Fünfliber.

Die Pfarrei Schwende zählt heute rund 750 Gläubige.

Kirchweihe am 20. Oktober 1929

Der Beschluss für eine neue Kirche war bereits 1912 gefallen – mit der Einschränkung, dass der Baufonds die Höhe von 130'000 Fr. erreicht haben müsse. Es gab verschiedene Projekte. Beauftragt wurde schliesslich Adolf Gaudy von Rorschach im Jahre 1928; am 28. Oktober 1929 wurde die Kirche geweiht.

Gaudy, 1872 in Rapperswil SG geboren, machte sich vor allem durch Kirchenbauten einen Namen. Vor dem Auftrag in Schwende hatte er bereits im Berggebiet in Grengiols VS (St. Niklauskirche), in Zermatt (St. Mauritius) und in Rieden SG (St. Magnus) drei Kirchen neu gebaut, was ihm nun zugute kam.

Im gleichen Jahr 1928 wurde das bestehende Kirchlein abgerissen. Ein Teil der beweglichen Kunstschätze sei in Andachtskapellen und Bauernhäuser gelangt, der Rest auf den Scheiterhaufen, schreibt P. Rainald Fischer im Innerrhoder Kunstdenkmälerband. Alte Statuen gingen auch in die Kapelle Heilige Dreifaltigkeit. Die eine der Glocken wurde eingeschmolzen, die zweite 1928 in die Mission der Schweizer Kapuziner nach Tansania verschenkt.

«Stimmungsvollster Innenraum»

Gaudy gestaltete die Kirche neubarock und integrierte mit ihr «den Sakralbau in die Berglandschaft, ähnlich wie ein Jahrzehnt zuvor Hardegger in Schlatt», so P. Rainald. Hardegger war «der fruchtbarste Kirchenarchitekt für Innerrhoden (auch die Kirchen von Haslen und Schlatt sowie die 1972 abgerissene Kirche von Eggerstanden stammen von ihm). 

Schwende besitzt nach P. Rainald «den wohl stimmungsvollsten Innenraum aller Innerrhoder Kirchen. Aus Wänden und flachen Wandpfeilern steigt fast nahtlos das breite Tonnengewölbe des Schiffes auf, einzig durch die jugendstilhaften weissen Stukkaturen akzentuiert, die sich wellenartig über den Stichkappen  der vier Fensterachsen aufbäumen und bei den Wandpfeilern niedergleiten».

Eigenheiten

Speziell in Schwende  sind die Aufführungen der beiden volkstümlichen Messen von Josef Dobler (Horn Sepp): Martinsmesse und Jubiläumsmesse, sowie die von ihm für Schwende geschaffenen Weihnachtslieder: «Heiligste Nacht», «Er ischt gebore ös», etc.

Da kein Kirchenchor mehr besteht, gibt es zu Weihnachten einen Projektchorunter der Leitung von Thomas Mainberger. Das Streichorchester besteht aus Söhnen und Nichten von Horn Sepp.